Die Oberpriesterin Cidippe
Nicolas Pierre Loir (1624 - 1679)
Rahmenmaß 134,5 x 186 x 9 cm
Das großformatige Gemälde erzählt von der Oberpriesterin Cidippe, die von ihren Söhnen Cleobis und Biton im Wagen zum Tempel der Hera gezogen wird. (Herodot, I, 30–31).
Die Historie aus der griechischen Mythologie berichtet von der Stärke und Tugendhaftigkeit zweier Söhne, die ihre Mutter, die Oberpriesterin des Heratempels von Argos, anstelle eines Ochsengespannes in großer Eile über lange Distanz rechtzeitig zum Tempel bringen. An ihrem Ziel auf der Halbinsel Peloponnes angekommen, brechen sie vor Erschöpfung zusammen und legen sich nach den Opferfeierlichkeiten im Tempel zur Ruhe. Die Göttin erweist beiden für ihre Tat eine besondere Gunst: Sie lässt das Brüderpaar noch in der Blüte und Stärke ihrer Jugend sanft entschlafen. Vor allem französische Barockmaler des 17. und 18. Jh.s finden am Thema der selbstlosen Aufopferung großen Gefallen. Der uneingeschränkte Gehorsam gegenüber ihrer Mutter ist Synonym für das Verhältnis des absolutistisch regierenden Königs gegenüber seinen Untertanen.
Loir fügt die Geschichte in eine fantasievolle, antik geprägte Stadtlandschaft ein. Die wohldurchdachte Komposition basiert auf der rationalen Kunstauffassung Poussins. Die drei Protagonisten werden wie auf einer Bühne freudig vom Volk und den Priestern empfangen. Farbliche Akzente und lichte Klarheit heben die vielfigurige Vordergrundszenerie vom grauen, kubischen Stadtbild ab.
Der Künstler gestaltet zum Thema ein zweites, spiegelverkehrtes Bild mit etwas veränderter Komposition (Budapest, Szépmüvészeti Muzeum, Sammlung Esterházy, Inv. Nr. 698) und eine seitenverkehrte Grafik, die exakt der Anordnung des Salzburger Gemäldes entspricht (Paris, Bibliothèque Nationale, Cabinet des estampes, Da 42 folio).
HABERSATTER Thomas: Loir Nicolas Pierre, Die Oberpriesterin Cidippe, in: DUCKE Astrid, HABERSATTER Thomas, OEHRING Erika: Meisterwerke. Residenzgalerie Salzburg. Salzburg 2015, S. 128