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Orpheus holt Eurydike aus der Unterwelt (Kärntnertortheater – Entwurf für einen Theatervorhang)

Heinrich Friedrich Füger (1751 - 1818)

Orpheus holt Eurydike aus der Unterwelt (Kärntnertortheater – Entwurf für einen Theatervorhang)
vor 1808
Gemälde
Öl/Leinwand
Bildmaß 78 x 87,5 cm
Rahmenmaß 97 x 107 x 10 cm
485
Derzeit nicht in der Ausstellung
Klassizismus
© Residenzgalerie Salzburg, Aufnahme Fotostudio Ulrich Ghezzi, Oberalm

Über die Jahrhunderte inspiriert der Orpheus-Mythos Künstler und Komponisten. In den vergangenen hundert Jahren standen Christoph Willibald Glucks (1714–1787) "Orfeo ed Euridice", Joseph Haydns (1732–1809) "L anima del filosofo ossia Orfeo ed Euridice", Jacques Offenbachs (1819–1880) "Orphée aux enfers" und Ernst Kreneks (1900–1991) "Orpheus und Euridike" am Spielplan der Salzburger Festspiele. Und natürlich Claudio Monteverdis (1567–1643) "LOrfeo", das am 24. Februar 1607 in Mantua uraufgeführt wurde. Das Libretto schuf Alessandro Striggio der Jüngere (1573–1630) nach dem Orpheus-Mythos (Ovid, Metamorphosen X, 1–105).
In einem Prolog und fünf Akten wird das Unglück Orfeos beschrieben, der seine Braut Euridice durch einen Schlangenbiss verliert. Orfeos Musik erweicht Caronte (griech. Charon) und Proserpina (griech. Persephone), sodass er Euridice unter der Bedingung, sich nicht umzudrehen, in die Oberwelt zurückholen darf. Er versagt, kehrt allein auf die Erde zurück und ist untröstlich, bis sein Vater Apoll mit ihm in den Himmel aufsteigt.
Herbert Wernicke feiert mit Regie und Ausstattung für LOrfeo 1993 im Innenhof der Residenz sein Salzburg-Debüt. Wegen Regens findet die Premiere der von René Jacobs (geb. 1946) dirigierten Produktion konzertant im Großen Saal des Mozarteums statt. Die zweite, diesmal szenische Aufführung stößt aufgrund von Wernickes Transformation des Stoffes in die Gegenwart auf begeisterte Zustimmung. Vor Euridice schreitet Orfeo den ansteigenden Pfad aus der Unterwelt empor. Beinahe haben die beiden ihr Ziel erreicht, Licht kündet den Übergang zur Außenwelt an. Doch im nächsten Moment wird Apollo (griech. Apollon) Zeuge der Schwäche Orfeos werden.
Heinrich Friedrich Fügers (1751–1818) "Orpheus holt Eurydike aus der Unterwelt" – ein sinnfälliger Theatervorhang-Entwurf für das Kärntnertortheater in Wien – ist ungleich dramatischer. Die Leier in Orpheus’ Händen ist wie der an den Felsen angekettete, selig schlummernde mehrköpfige Cherberus Hinweis darauf, wie der verzweifelt Liebende in die Unterwelt gelangte. Sein Gesang mit Leierspiel ließ den Höllenhund einschlafen und erweichte Proserpina und Pluto. Wie bei der Inszenierung der Salzburger Festspiele fällt Licht diagonal von links oben nach rechts unten, von der Außen- in die Unterwelt, und kündet vom nahen Ausgang, vom greifbaren Glück. Euridice streckt in der Aufführung von 1993 ihren Arm nach Orfeo aus, der ihr noch standhaft den Rücken zuwendet. Doch im Gemälde wendet er, in der Vorwärtsbewegung zum Ausgang strebend, sein Haupt. Ein letzter Blick in die Augen der Geliebten, die ihn nicht mehr fassen kann. Vier muskulöse „Höllenwesen“ reißen sie kraftvoll in die Tiefen der Unterwelt. Ihr fahler Teint wird nie wieder gesunde Röte annehmen und entspricht wie ihre Kleidung dem Reich der Schatten.

Ducke Astrid: Katalog. In: Astrid Ducke: Der Kuss der Musen. Festspiele göttlicher Inspiration. Residenzgalerie Salzburg. Salzburg 2020, S. 25-89, Heinrich Friedrich Füger, Orpheus holt Eurydike aus der Unterwelt, S. 39, Abb. 32, S. 38