Fraisenketter, 1. Hälfte 18. Jh.

Leihgaben für die Burg Hohenwerfen

Als die Naturwissenschaft noch in den Kinderschuhen steckte, setzte die Volksmedizin großes Vertrauen in magische Mittel, um Krankheiten vorzubeugen und Schicksalsschläge abzuwenden. Amulette in vielerlei Gestalt sollten gegen dämonische Mächte schützen. Die Burg Hohenwerfen zeigt ab 1. Juli eine Ausstellung über „Mythos Jackl – Hexen und Zauberer in Salzburg“, die das Dommuseum mit Leihgaben aus der Kunst- und Wunderkammer unterstützt.  

Eine Fraisenkette (1. Hälfte 18. Jahrhundert) mit neun verschiedenen Amuletten an einem blauen Stoffband sollte die gefürchteten „Fraisen“ abwehren. Darunter verstand man verschiedene krampfartige Zustände, deren Ursache in Schrecken und Angst vermutet wurde (mhd. „fraisa“ = Not, Wut, Schrecken, Angst). Gefährdet waren alte Menschen, aber besonders Kinder. Kummer und Schrecken während der Schwangerschaft konnte beim Kind die Fraisen zur Folge haben. Zur Heilung war eine „Schocktherapie“ üblich, indem man den Erkrankten durch einen Wasserguss ins Gesicht, eine Ohrfeige oder starken Lärm wiederum Schrecken zufügte. Schutz versprachen neben der Fraisenkette auch „Fraishaube“ und „Fraisbrief“ – ein Gebetszettel, der 77 Fraisen erwähnt, aber nur 13 (Unglückszahl!) namentlich anführt: die kalte, fallende, reißende, rote, abdörrende, zitternde, abbrennende, spritzende, stille, schreiende, wütende, geschwollene und gestoßene Frais.                                                                                                                 

Fraisenketten sind stets mit einer ungeraden Zahl von Amuletten bestückt, die dem Glauben an die Magie wie dem an die Religion entspringen. Die kleine, aus Elfenbein geschnitzte Hand ist eine Neidfeige, bei der zwischen Zeige- und Mittelfinger der Daumen steckt. Solch obszönes Symbol diente der Zurückweisung einer Zumutung (mhd. „nid“ = „Hass“). Die Feige schützte vor dem „bösen Blick“ und dem „Verschreien“ – einer aufgrund von Neid gemachten bewundernden Äußerung, die Unglück verursachen konnte.
Das kleine Kissen, ein sog. „Breverl“, schützte vor allen möglichen Gefahren. Unter bräunlichem Stoff enthält es einen vierfach gefalteten Schutzbrief (lat. littera brevis = kurzer Brief) mit neun Heiligenbildchen und einer Vielzahl kleiner Amulette im Zentrum. Um welche genau es sich handelt, bleibt verborgen. Der Besitzer durfte das Breverl ausschließlich in Todesgefahr öffnen. 
Die in Silber gefasste Nepomukzunge, eine Miniaturnachbildung des Zungenreliquiars des hl. Johannes Nepomuk, sollte vor Verrat und Verleumdung bewahren.
Der Reißzahn eines Marders verlieh wie alle Raubtierzähne Mut und Kraft. Eine silberne Tülle enthält Maulwurfskrallen, die bei Zahnweh und kindlichem Zahnen Linderung versprachen.
Der grüne Malachitstein stand für Lebenskraft und wirkte entkrampfend und entzündungshemmend. Drei weitere Steine in Silberzargenfassung – Gagat, brauner Jaspis und Hämatit (buckelige Oberfläche) schützten vor bösen Geistern. Die Kette ist somit durch unterschiedliche, einander ergänzende oder überlappende Wirkungskraft der Amulette aufgeladen.

 

Weitere Leihgaben für die Burg Hohenwerfen

Ebenfalls für Hohenwerfen sind ein Bandachat-Amulett (18. Jahrhundert) zur Stärkung der Lebenskraft und ein Mardergebiss (19. Jahrhundert), um die Wehrkraft des Tieres zu beschwören.

Eine weitere Leihgabe ist ein Drudenmesser (Mitte 18. Jahrhundert). Die Klinge des Klappmessers zeigt auf der einen Seite den Kreuztitel INRI, auf der anderen Seite eingestanzte Andreaskreuze und Halbmonde (normalerweise neun, hier jeweils nur acht!). Der Schaft aus Gamshorn ist mit Einlegearbeiten aus Bein verziert. Das Messer war zur Abwehr der Drud bestimmt, einer Hexe, die sich nächtens auf die Brust Schlafender setzen und Albträume oder gar Atemnot hervorrufen konnte. Daher war es sinnvoll, das Messer in den Türstock oder ins Bettgestell zu stecken, um die Drud zu vertreiben. Bei Unwettern wurde das Messer in die Luft geworfen, um damit die Drud zu treffen und Schäden abzuwenden. Auch als Waffe gegen den berühmten „bösen Blick“, der Krankheiten hervorrufen konnte, wurde das Messer empfohlen.

Text: Dr. Reinhard Gratz

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