Wieder ein Gedenktag rund um Hieronymus Colloredos Wahl zum Fürsterzbischof: Am 29. April 1772 ging der große Einzug in die Stadt Salzburg über die Bühne.

Ein bedeutender politischer Akt, ein riesen Spektakel und der Beginn einer ereignisreichen Regierungszeit.


Immer wieder ein Fest – fürstliche Prozessionen


Nach der Krönung in der Westminster Abbey am 6. Mai werden Charles III. und seine Gemahlin die offizielle Krönungsprozession durch London in der mehr als 260 Jahre goldenen Kutsche absolvieren.

 

 

 

 

Der neue Herrscher rollt durch seine Stadt: symbolisch bedeutsam und ein jahrhundertaltes Prozessions-Prozedere, das uns in einigen Tagen, am 6. Mai, in seinen Bann ziehen wird – wie die Zeitgenossen vergangener Zeiten, z.B. die Salzburger und Salzburgerinnen am 29. April 1772!

 

 

 

 

 


29. April 1772 – Alles ist in Frohlockung

Salzburg war ein selbstständiges geistliches Fürstentum des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, der Fürsterzbischof weltlicher und geistlicher Herrscher mit bedeutenden Privilegien – er trug den Titel „Primas Germanie“ und hatte als „Legatus Natus“ das Recht, Kardinalspurpur und Legatenhut zu tragen.

Ein besonderer Status, der auch ein besonderes Wahl-und Amtseinführungsprozedere nach sich zog.


Schloss Freisaal ( Johann Michael Sattler, Panorama der Stadt Salzburg, 1829; Sattlerpanorama, Salzburg Museum)

 

Der feierliche Einzug (Adventus), mit dem der neue Fürsterbischof symbolisch die Herrschaft antrat und öffentlich von seinem Land Besitz ergriff – war ein bedeutender politischer Akt und wurde dementsprechend pompös gestaltet.

Wie seinen Vorgängern diente auch Hieronymus Colloredo Schloss Freisaal als Ausgangspunkt für seinen Einmarsch in die Stadt.

 

 


Der Festzug startete am 29. April, einem Mittwoch, um 3 Uhr nachmittags – und er war wesentlich bescheidener und auch zeitlich reduzierter als sonst üblich, dauerte nur einen Tag.

So prunkvoll wie jener seines Vorgängers, Leopold Anton Freiherr von Firmian im Oktober 1727, war Colloredos Einzug zwar nicht, aber auch in abgespeckter Form dürfte sein erster offizieller Auftritt als Landesherr ein beeindruckendes Spektakel gewesen sein.


An der Stadtmauer warteten die Bürgerschaft mit dem Stadtrat. An der Spitze: Bürgermeister Ignaz Anton Weiser (1701–1785), der dem neuen Fürsterzbischof den Stadtschlüssel, in einer Silberschale auf rotsamtenem Kissen, und damit die Stadtherrnrechte übergab.

Drei Jahre später wird Weiser – ein Freund der Familie Mozart, Dramatiker und Textdichter von Mozarts „Die Schuldigkeit des ersten Gebots“ KV 35 – aus Protest zurücktreten, da Colloredo gegen seinen Widerstand auf Kosten des Magistrats die Umgestaltung des alten Lodronschen Ballhauses am Hannibalplatz (heute Makartplatz) in ein Hoftheater veranlasste.


Endlich am Ziel: So übernehme dann getröst die Dir von Gott anvertraute Regierung

Der Einzug Colloredos endete in der Residenz. Im Rittersaal – der neue Landesherr hatte unter einem Baldachin Platz genommen –  fand die feierliche Angelobungszeremonie statt, mit Huldigung und Schwurakt.



Domdechant Ferdinand Christoph Graf Waldburg-Zeil, in der Bischofswahl unterlegener Kandidat, hielt eine Rede, mit der Colloredo die Herrschaft formell übertragen wurde, in Worten und durch symbolische Gesten:

„So übernehme dann getröst die Dir von Gott anvertraute Regierung. Übernehme solche unter Göttlichen Segen, und unter denen zärtlichsten Wünschen deines Volkes. Ich übergebe Dir solche (i.e. die Inventare der diversen Bereiche der Hofämter sowie ein vergoldeter Haupt- und drei Kammerherrenschlüssel auf einem Samtkissen) hiermit in tiefster Ehrfurcht, und im Namen eines Hochwürdigen Dom-Kapitels, als dieses hohen Erz-Stifts Erb-Herren. Ich übergebe Sie dir, mit eben jenem freyen, und frohen Gemüthe, mit welchem ich Dir, der erste die auf Dich so glücklich gefallene Auswahl zu der Erz-Bischöflichen Würde freudigst angekündet, und Dich als meinen Gnädigsten Fürsten, und Herrn durch den schuldigstern Hand-Kuß, der erste verehret habe.“

Nach der Ansprache huldigten der Hofstaat, die Amtsträger des Erzstifts, die Landstände und der Stadtmagistrat dem neuen Herrn und gelobten Treue, Gehorsam und Loyalität. Die Mitglieder von Domkapitel, Hofstaat und Stadtmagistrat küssten die Hand des Fürsterzbischofs, alle Übrigen den Mantel.

Die Zwischenregierung (Interregnum) des Domkapitels war damit zu Ende.


Die Lippen preisen Scipio und Hieronymus das Herz

Das Fest ging weiter, zum Beispiel mit einem Ball und der Aufführung eines Huldigungswerks von W. A. Mozart: Il sogno di Scipione KV 126.

Die Serenata in einem Akt nach einem Libretto von Pietro Metastasio wurde eigentlich mit Blick auf die das 50-jährige Priesterjubiläum von Fürsterzbischof Sigismund Graf Schrattenbach geschrieben, der allerdings vor den Feierlichkeiten verstarb.

Mozart widmete das Werk kurzerhand um, adaptierte es und brachte es in reduzierter Form anlässlich der Inthronisation Colloredos auf die Bühne.

„Im Jahr 1772 machte der Sohn zur Wahl des Erzbischoffs eine Serenata. Il sogno di scipione“, vermerkte Mozarts Schwester Maria Anna (1751-1829) später in Beantwortung eines Fragebogens.

„Il sogno di Scipione“ KV 126, 1772, „Non è Scipio, o signore“ (Rezitativ (Licenza). Hier ist die Widmungs-Änderung von „Sigismondo” zu „Girolamo” – von Leopold Mozart geschrieben – zu sehen (Takt 10; Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Mus.ms.autogr. Mozart, W. A. 12)


Zum krönenden Abschluss tritt Licenza auf, preist die Entscheidung des Scipio, nach allen Wirren nicht Fortuna (das Glück), sondern Constanza (die Beständigkeit) als Gefährtin gewählt zu haben, und verrät, dass Scipio niemand anderen als Hieronymus Colloredo, den Fürsterzbischof von Salzburg, personifiziere:

Es ist nicht Scipio, oh Herr (ach, wer könnte
Dich belügen!), Gegenstand meiner Verse
Ist nicht Scipio. Die Rede ist von Dir,
Wenn ich von ihm spreche. Jener erlauchte Name
Ist der Schleier, durch den
Meine Ehrfurcht sich verbirgt.
Die Lippen preisen Scipio und Hieronymus das Herz.

Ein paar Jahre später wird Mozart seinem Vater schreiben: „Ich will nichts mehr von Salzburg wissen – ich hasse den Erzbischof bis zur rasereÿ.“

Aber das ist eine andere Geschichte …


Und zu guter Letzt: das päpstliche Placet

Die Wahl musste vom Papst bestätigt werden. Papst Clemens XIV. (reg. 1769–1774) tat dies am 22. Juni und verlieh Colloredo zudem das Pallium, gegen die übliche Taxe an die Kurie.

Die weiße Wollstola mit den sechs schwarzen Seidenkreuzen –  ein besonderes Amtszeichen, das mit der Würde eines Erzbischofs verbunden ist und sonst nur vom Papst getragen werden darf – wird aus der Wolle von in Rom gezüchteten Schafen hergestellt, die im Pallienkasten in der Confessio des Petersdoms aufbewahrt wird.

Das Pallium wurde Hieronymus Colloredo am 9. August vom Seckauer Bischof, Joseph von Spaur (1718-1791), übergeben: „Hierauf wurde das Te Deum Laudamus abgesungen und von der in Parad gestandenen Bürgerschaft als auch Militär zwey Salven gegeben worden, welches auch vor der hochen Vestung mit Canonen und Bellen auf gleiche Weise geschehen.“

Franz Xaver König (?), Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo, um 1772 (Dommuseum Salzburg) Auf dem Tischchen liegt das Pallium, das vom Papst verliehene Zeichen der Metropoliten-Würde.


 

 

 

 

Sonderausstellung: Colloredo. Reformer in neuem Licht

26. 1.  – 29. 5. 2023 Nordoratorium, Residenzgalerie

Die ausführliche Ausstellung über den letzten geistlichen Landesfürsten widmet sich zahlreichen Aspekten seiner einunddreißigjährigen Regierungszeit und rückt so manches Klischee zurecht.

 

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