Sommer 1923: Im 3.  Obereschoß der ehemaligen fürsterzbischöflichen Residenz eröffnete eine Galerie – in jenen Räumen, die bereits dem letzten Salzburger Fürsterzbischof, Hieronymus Graf Colloredo, als Ort für seine Gemäldesammlung dienten.

Die neue Galerie sollte als zweites kulturelles Zugpferd neben den Salzburger Festspielen dienen.

Kurios war, dass sie bei ihrer Gründung kein einziges Kunstwerk ihr Eigen nennen konnte!

Heute ist die Residenzgalerie mit ihrem bedeutenden Werk-Bestand niederländischer, italienischer, französischer und österreichischer Meister des 17. und 18. Jahrhunderts sowie österreichischer Malerei des 19. Jahrhunderts eine vielbeachtete europäische Kunstsammlung mit internationalem Ruf.


Von 0 auf 100 – der Motor dieser fulminanten Beschleunigung hat einen Namen: Czernin.

Denn seit den 1950er Jahren ergänzten wechselnde Leihgaben der bedeutenden ehemaligen Wiener Adelssammlung von Johann Rudolph Graf Czernin von und zu Chudenitz (1757-1845) den eigenen Bestand, ein Teil davon wurde Anfang der 1980er Jahre vom Land Salzburg erworben und befindet sich heute im Besitz der Residenzgalerie.

Die Cernin’schen Gemälde stehen unter Denkmalschutz und zählen zum wertvollsten kulturellen Besitz Salzburgs.


Das Schreibzimmer des Grafen


Unbekannter Maler, Ansicht eines Raumes im Czernin’schen Palais der Wiener Innenstadt, Wallnerstraße 3, betitelt: „Oberstkämmerer Graf Johann Rudolf Czernin von Chudenic. Schreibzimmer meines Vaters zu Wien 1835“, Aquarell © Graf Czernin


Da sitzt er, inmitten seiner umfangreichen Gemäldesammlung: Rudolph Graf Czernin von und zu Chudenitz (1757-1845), k.u.k. österreichischer Verwaltungsbeamter, dem als kaiserlicher Oberst-Kämmerer die Leitung der kaiserlichen Hofsammlungen oblag und der 1823-1827 er Präsident der Akademie der bildenden Künste in Wien war.

Um 1800 begann er mit dem Aufbau einer Gemäldegalerie, die sich zu einer der prominentesten Adelssammlungen ihrer Zeit entwickelte und Weltruf erlangte. Sie war die wichtigste private Kunstsammlung der Monarchie und umfasste bedeutende Werke des Barock, darunter viele Gemälde der französischen Classique, die in österreichischen Sammlungen einen Seltenheitswert genießen. Der Schwerpunkt lag vor allem auf der niederländischen Malerei.


Landeshauptmann und Museumsreferent Wilfried Haslauer anläßlich der Eröffnung der Jubiläumsausstellung in der Residenzgalerie vor einem der wertvollsten Gemälde aus dem einstigem Czernin’schem Besitz: Rembrandts „Betender alter Frau“. (Foto: Franz Neumayr)

 


Ein förderlicher Beziehungsreigen

Die adelige Geberlaune kam nicht von ungefähr! Sie ist wohl auch auf besondere familiäre Beziehungen zurückzuführen.

Denn die Familie Czernin ist mit Salzburg durch verwandtschaftliche Bande eng verwoben, nicht zuletzt durch Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo (reg. 1775-1803). Dessen Schwester, Maria Antonia, war die Mutter Johann Rudolph Czernins, der seine Studienzeit beim Onkel in Salzburg verbrachte.

Als Neffe des Regenten genoss er ein privilegiertes Leben und hatte Zugang in höchste Kreise.


Und mittendrin: der junge Graf Czernin!

Der junge Czernin war umtriebig, ambitioniert und musikbegeistert, stand in engem Kontakt mit den Mozarts und wurde von Michael Haydn unterrichtet, der für seinen Vater Kontertänze geschrieben haben dürfte, die W. A. Mozart bearbeitet hat.

Zusammen mit dem Salzburger Adel trat der Johannn Rudolph Czernin in Theaterstücken auf, wobei er meist die Organisation und eine Hauptrolle übernahm.

Auch dem Geigenspiel galt des jungen Grafen Liebe.

 

In ganzer Pracht: Maximilian Franz von Habsburg-Lothringen, Erzherzog von Österreich, späterer Erzbischof und Kurfürst von Köln und Fürstbischof von Münster, als Großmeister des Deutschritterordens (© Sammlung Schloss Versailles)

 

Im April 1775 hielt sich Erzherzog Maximilian Franz, der jüngste Sohn von Kaiserin Maria Theresia, für einige Tage in Salzburg auf.

Die Musik spielte wie immer bei solch hohen Anlässen eine gewichtige Rolle. So wurden im Rittersaal zwei Serenaten aufgeführt, W. A. Mozarts „Il Re Pastore“ KV 208 und „Gli orti esperidi“ von Hofkapellmeister Domenico Fischietti.

Die erlauchte Gesellschaft konsumierte aber nicht nur Musik, man musizierte auch selbst. Bei einem der Abendevents in der Residenz ließ sich Maria Antonia Gräfin Lützow, die Schwester Johann Rudolphs, auf dem Flügel hören.

Begleitet wurden sie von ihrem Onkel, dem Fürsterzbischof, dem Erzherzog, ihrem Bruder sowie Johann Wenzel Graf Ugarte und Johannes Graf Johann Hardegg – beide gehörten dem Gefolge des Erzherzogs an.

Zum Schluß improvisierte Mozart auf dem Klavier, „und spielte verschiedenes aus dem Kopf mit so vieler Kunst alsß Annehmlichkeit. Mit dem ginge der Tag zu Ende, und wegen der bevorstehenden Abreise des Erzherzogens jedermann zeitlich zur Ruhe“, steht im Reisejournal des Erzherzogs zu lesen.


Ein junger „Schuß-bartl“

Damit nicht genug, gründete der junge Czernin auch noch ein Liebhaberorchester. Man traf sich regelmäßig an den Sonntagnachmittagen im Stadtpalais der Grafen Lodron in der Dreifaltigkeitsgasse. Leopold Mozart: „h: Graf Czernin ist mit seiner fiedlereÿ beÿ hofe nicht zufrieden, er möchte auch dirigieren, desswegen hat er nun eine dilettanten musik errichtet, die im Graf Lodron Saal alle Sonntag nach 3 Uhr anfangen soll. Graf Sigerl Lodron kam zu uns, die Nannerl …  zum Clavier einzuladen; mich aber zu ersuchen die Secundviolinen in Ordnung zu halten. Heute vor 8 Tag den 5ten war also die erste Musik.

Als sich Leopold Mozart hämisch über dessen Geigenkünste äußerte, erwiderte W. A. Mozart: „…der Czernin ist eben ein junger Schuß-bartl.“


Mein Concert für die Gräfin Litsow …

Johann Rudolphs Schwester, Maria Antonia, dürfte eine talentierte Pianistin gewesen sein. Vermutlich erhielt sie von Leopold Mozart Unterricht. Sohn Wolfgang Amadé komponierte für sie das Klavierkonzert Nr. 8 C-Dur KV 246. Es gehört zu den ersten mozartischen Salzburger Konzerten, entstand im April 1776 und ist im galanten Stil gehalten. Mozart ließ es bei Liebhaberkonzerten aufführen und nutzte es für Unterrichtszwecke.

Im gleichen Jahr, 1776,  setzte der Vater von Maria Antonia und Johann Rudolph, Prokop Adalbert Czernin, eine Jahresrente aus, an die Verpflichtung gekoppelt, Werke für seine Kapelle zu liefern. Viel hatte Mozart allerdings nicht von dieser finanziellen Zuwendung, der alte Graf verstarb bereits ein Jahr später.

Visitenkarte der Gräfin Lützow mit dem Lützow-Hof in Schallmoos (Kupferstich, um 1790)

 


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